„Geritzt“, aber auch „Eisenzeit“ lassen () die Herkunft des Bildhauers Peer Christian Stuwe von der Druckgraphik erkennen. Die klassische Linearität der graphischen Künste bricht Stuwe in seinen frühen Radierungen und Aquatinta-Arbeiten auf, die häufig an die Höhlenmalerei erinnernde Stierbilder zur Anschauung bringen. Die Linie franst aus, weitet sich zur Fläche.  Die Formensprache dieser Anfänge macht den Charakter der künstlerischen Handschrift Stuwes unverwechselbar, von der sowohl die Materialbilder als auch die Eisenskulpturen geprägt sind, die ja letztlich auch Materialbilder sind. Bilder, die den Reiz sonst und gemeinhin unbeachtet bleibender Dinge pointieren und gleichwohl die Zeichen des Prozesses ihrer Entstehung, den Prozess der künstlerischen Bearbeitung nicht nur nicht verleugnen, sondern ihn vielmehr durchaus als solchen vor Augen führen.
Sind die Arbeiten der Werkgruppen „Eisenzeit“ und „Geritzt“ durch Kriterien einer zeitgenössischen Materialkunst geprägt und beziehen daraus nicht zuletzt ihre Wirkung, so geht von den Fundstücken (ab)gelebten Lebens in den „Kästenbildern“, die Peer Christian Stuwe zu einem Panoptikum des Banalen inszeniert hat, Magisches aus, eine Magie, die ironisch gebrochen wirkt. Im Zwiegespräch zwischen Stuwes künstlerischer Sprache und der Sprache der Dinge erfährt die Dingsprache, die ja auch den weggeworfenen Dingen eigen ist, eine Transformation ins Narrative. Das erzählerische Element entsteht aus der ästhetischen Valenz, die dem Profanen verliehen wird, auch durch eine ironisch gebrochene Verklärung.
Die Arbeit „Das Goldene Zeitalter“ besteht aus () zwei Panzersperren, eine davon mit Goldfarbe gestrichen, die vor der Propsteikirche St. Stephanus in Nachbarschaft zum Stadtmuseum Beckum postiert sind. Die Sperren erzählen einfach durch ihr Dasein und Sosein sarkastisch von früher, von den guten (goldenen) alten Zeiten, (auch von Krieg und Gewalt), vom verlorenen Paradies, vom Goldenen Zeitalter, das ja nur als Fiktion existiert. Sie verweisen aber auch auf das Heute und die Zukunft, auf eine latente Bedrohung und Gefährdung des menschlichen Miteinanders und die Brüchigkeit und Fragwürdigkeit globaler Weltordnungsversuche. Auch die Verklärung der einen oder anderen in Gold getauchten Eisenskulpturen ist ironisch – „Midas ist ein Esel“. Diesem König, so will es die antike Mythologie, wird unter den Händen alles zu Gold und er verhungert beinahe, seiner Goldgier wegen.
Der durchaus wohlwollende, ja liebevolle ironische Blick, den Peer Christian Stuwe auf den Alltag der Menschen und die alltäglichen Dinge wirft, gilt in der Arbeit „Mal was richtig Schönes…“, einem Ensemble das zum „Panoptikum der Banalitäten“ gehört,  seinem eigenen Metier der Kunst. Drei Betonsteine, die eigentlich als Pflastersteine () dienen, sind, so etwas über Augenhöhe, an die Wand gebracht. Auf () diesen Sockeln (übrigens von lateinisch „socculos“, kleiner Schuh) stehen eine billige Gips-Nachbildung des berühmten David von Michelangelo, die Peer Christian Stuwe sich einmal aus Florenz mitgebracht hat – wohl feile Touristenware, dann ein Knochen, den sein Hund glatt, blitzblank sauber () geleckt hat und ein Kunststück gefakter Materialität: eine Balsamico-Glasflasche, die, vergoldet wie eine allerdings einhenkelige Amphore aussieht, wie sie im antiken Griechenland zur Aufbewahrung von Öl und Wein diente. Darüber ein blinder Spiegel. Den aus Holzresten zusammengeklebten Holzrahmen kaufte Peer Christian Stuwe im Praktiker- Baumarkt und legte ihn mit Goldpapier aus. Golden angestrichen ist, wie man sieht, auch der Betonstein, auf dem die Billigkopie des David posiert.
„Mal was richtig Schönes…“ spielt mit der ästhetischen Kategorie des Schönen. Einst emphatisch gemeint, den gewöhnlichen Alltag überhöhend, der metaphysisch gedachten Trias des verum, bonum, pulchrum, ist ein mit dem Wahren und Guten verknüpftes Schönheitsverständnis zerbrochen.
Gibt es eine Wiederkehr des Schönen unter der Devise „Zu schön um wahr zu sein“, eine Schönheit der Oberfläche, die den menschlichen Körper und alle Dinge letztlich zur leeren, buchstäblich verflachten Hüllen ohne Tiefe macht, eine kosmetische Schönheit, wie sie uns in den Bildern der Werbung, des Kinos und Fernsehens wie der Künste gleichermaßen begegnet und den Lifestyle, das Lebensgefühl stimuliert? Sind das Fragen, die auch Peer Christian Stuwe mit dem Ensemble „Mal was richtig Schönes…“ in seinem „Panoptikum der Banalitäten“ stellt?
Jedenfalls, Schönheit, für Platon eine unsterbliche Idee, ist sterblich, weltläufig geworden, ja ein Label. Doch wäre es zu einfach, in der Ablösung des metaphysischen Schönheitsverständnisses zu Gunsten einer bloßen Oberflächenschönheit lediglich eine Verfallserscheinung der „wahren“ Schönheit zu sehen – nicht erst seit Adorno ist Schönheit eine Promesse du Bonheur, ein Versprechen des Glücks.
In: Katalog, Die Ästhetik des Profanen, 2009, Ursula Franke